15. November 2013


Aktion Lichtpunkt für Schulklassen

Amoklauf Winnenden
Amoklauf Winnenden

Jedes Jahr sterben in Deutschland zahlreiche Kinder oder Jugendliche, die noch zur Schule gehen. Manche sterben nach langer Krankheit, manche nach einem Unfall oder durch Suizid. Zurück bleiben die fassungslosen Familien, andere Angehörige, Freunde und oft auch eine betroffene Schulgemeinschaft. Der Tod eines Kindes ist nicht „normal“. Tod und Trauer sind höchstens Themen im Religion- oder Ethikunterricht. Meist spricht man in diesen Unterrichtseinheiten über das Sterben eines älteren Menschen, manchmal über Hospize und über Abläufe einer Beerdigung und Trauerfeiern. Man „behandelt“ den natürlichen Tod, der zum Leben dazugehört. Der Tod zur „Unzeit“, der viel zu frühe Tod eines Kindes ist in der Regel kein Thema über das man spricht.

Und doch kommt es immer wieder vor, dass ein Kind oder Jugendlicher aus der Schulgemeinschaft stirbt. Es macht fast jeden betroffen, und selbst wenn ein Klassenkamerad dem Verstorbenen nicht eng verbunden war, so weckt der frühe Tod doch Ängste um die eigene Sterblichkeit. Reaktionen und Gefühle kommen auf, die man so nicht kannte, und Fragen werden gestellt, auf die Lehrer in der Regel nicht vorbereitet sind. Schule soll junge Menschen auf das Leben vorbereiten, solch ein Tod „passt da nicht rein“.

Viel hat sich in den letzten Jahren geändert.

Vor wenigen Jahren noch waren dies die absoluten Tabuthemen. Nach dem Tod eines Schülers ging man schnellstmöglich zum gewohnten Tagesablauf über. Meist resultierte das Wegschauen aus Unsicherheit - viele Lehrer fühlten sich hilflos, hatten Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun - und taten deshalb lieber nichts. Viel hat sich in den letzten Jahren geändert.

 

Das Thema Trauer ist inzwischen in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen - über Tod und Trauer wird viel geredet und auch geschrieben. Es gibt Ratgeber, Bücher und auch viele Internetforen. Auch für Schulen gibt es nach den Amokläufen in Erfurt und Winnenden zahlreiche Materialien zum Umgang mit Krisen und Trauer in der Schule. Krisen oder Trauerfälle werden jetzt meist nicht mehr „totgeschwiegen“. 

Deshalb ist es wichtig, Lehrer zu stärken, ihnen Mut zu machen, sich mit Trauer auseinanderzusetzen.

Was sich aber nicht geändert hat - und wahrscheinlich auch nicht ändern wird, ist das Gefühl der Hilflosigkeit in der Praxis - dann, wenn ein Kind oder ein Lehrer aus der Schulgemeinschaft gestorben ist. Diese Unsicherheit ist normal und sie gehört dazu, denn im Umgang mit Trauer gibt es nicht die eine richtige „Technik“. Hier gibt es keine Patentrezepte, nicht zum Umgang mit einer trauernden Klasse und noch weniger zum Umgang mit einem einzelnen trauernden Kind. Auch noch so gutes Vorbereitungsmaterial kann nur bedingt auf die Praxis vorbereiten. Aber durch Gespräche und Austausch soll Mut gemacht werden, diese schweren Gefühle auszuhalten und nicht aus Hilflosigkeit wegzulaufen oder in Aktionismus zu verfallen.

Schulen sind prägende Lebensräume. Oftmals verbringen Kinder und insbesondere Jugendliche mehr Zeit in der Schule mit Lehrern und Freunden als mit der eigenen Familie. Deshalb ist es wichtig, Lehrer zu stärken, ihnen Mut zu machen, sich mit Trauer auseinanderzusetzen.

Das Unglück allein ist noch nicht das ganze Unglück,

Frage ist noch, wie man es besteht. 

Erst wenn man es schlecht besteht, wird es ein ganzes Unglück.

Das Glück allein ist noch nicht das ganze Glück.

 

(Ludwig Hohl)

Dieses Zitat von Ludwig Hohl macht deutlich, dass es nicht gleichgültig ist, was nach einem Unglück geschieht. Eine gute Begleitung in einer Krise bleibt im Gedächtnis der Beteiligten haften.

Was geschieht hierbei? Dem negativen Ereignis werden positive Erfahrungen hinzu gestellt. Die besondere Nähe von Menschen, die Gespräche, das gemeinsame Trauern und das Reden helfen, die Krise im Rückblick auch von einer anderen Seite zu sehen. Alles, was wir den Menschen an Gutem in der Krisenzeit schenken, bleibt in besonderer Weise haften. Somit werden wir zu Vermittlern einer neuen Hoffnung und können Menschen auf längere Zeit helfen, wieder nach vorne zu schauen. Diese Chance sollten wir nutzen.

So kann die Krise auch zu einer Chance werden.

Ein Blick auf das Wort „Krise“ verdeutlicht dies noch einmal. „Krise“  kommt aus dem Griechischen und bedeutet nicht vorrangig Unglück oder Schicksalsschlag, sondern erst einmal „Wendepunkt“. Es ist von seinem Ursprung her nicht so negativ besetzt, wie wir es heute oftmals verwenden. Denkt man an eine Regatta, dann ist die Wendeboje der Krisenpunkt. In welche Richtung wir nach dem Wendepunkt jedoch unsere Segel setzen, liegt in unserer Hand. So kann die Krise auch zu einer Chance werden.

Die gespendeten Lichtpunkte widmen wir in diesem Jahr dem Thema "Trauer in der Schule".

Dieses Jahr gehen die gespendeten Lichtpunkte an Klassen oder Schulgemeinschaften, die um einen Mitschüler trauern. Es ist ein kleines, sichtbares Zeichen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist. 

 

Dies ist auch für viele Freunde oder Klassenkameraden ein wichtiges Zeichen, denn viele fragen, wie es wohl den Eltern des Verstorbenen geht, machen sich Gedanken, trauen sich aber oft auch nicht, die trauernden Eltern zu besuchen. Solch ein kleiner Anstecker kann hier eine Brücke bauen - die trauernden Eltern können bei einer Begegnung mit den Klassenkameraden ihres Kindes sehen, dass man an ihr Kind denkt - und das ohne große Worte.

 

Hanne Shah

Hanne Shah, geboren 1960. Trauerbegleiterin und Fachberaterin für Psychotraumatologie. Vorsitzende des Vereins ATEG-BW e.V. (Arbeitskreis trauernde Eltern und Geschwister in Baden-Württemberg). ATEG-BW e.V. ist ein Landesverband beim Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. (VEID). Autorin der Handreichung „Vom Umgang mit Trauer in der Schule“(2004) und des Buches „Trauer und Trauma - die Hilflosigkeit der Betroffenen und der Helfer und warum es so schwer ist, die jeweils andere Seite zu verstehen“. Schulungen und Weiterbildungen für Lehrer und Psychologen im Bereich Trauer und Trauma in der Schule. Beratung von Lehrern bei Kriseneinsätzen in Schulen.

(Textelemente aus „Vom Umgang mit Trauer in der Schule“. Handreichung für Lehrkräfte und Erzieher/innen, Kultusministerium Baden-Württemberg 2008) 

Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung!

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