Das Thema der Aktion Lichtpunkt 2014

Der Moment des Abschieds

"Und dann ist unser Kind gestorben. Wir gehen fast jeden Tag auf den Friedhof. Es ist nun schon 5 Jahre her."

 

So oder so ähnlich wird der eigentliche Moment des Abschieds übergangen. Warum? Dafür wird es auch persönliche Gründe geben; doch sicher auch deshalb, weil man den Menschen, dem man kurz erklären soll, wie es einem geht, nicht mit der Dramatik und dem konkreten Moment des Abschieds - dem TOD des Kindes - schockieren will. 

Sanfter spricht sich das Wort Abschied, weil es zumeist eine unbestimmte Zeit meint. 

 

Umgangssprachlich - in Bezug auf den Tod - wird mit dem Begriff "Abschied" die Zeit nach dem Tod gefasst, die wir lieber unter den verschiedenen Phasen der Trauer subsumieren wollen. Auch hier wieder die Frage: Warum? Denn im Leben ist der Abschied genau der Moment, in dem man sich das letzte Mal auf dem Bahnhof umarmt, sich die letzten Worte sagt, in den Zug steigt und der Zurückgebliebene so lange winkt, bis der Zug mit dem geliebten Menschen nicht mehr zu sehen ist.

 

Warum habe ich, obwohl ich nun schon einige Schicksale kennengelernt habe, den eigentlichen Moment des Abschieds - den Moment des Sterbens - noch nie erzählt bekommen? Nach diesem Moment musste ich immer fragen, wenn ich etwas darüber erfahren wollte.

 

Welche Zeit meint der "Abschied"?


Bei manchen fängt der Moment des Abschieds vielleicht schon an, wenn die Diagnose einer unheilbaren Krankheit sich erhärtet hat und der Kampf und das Ringen mit dieser vergebens ist. Dann beginnt der Abschied mit einem Abschied-Nehmen. Und dann gibt es den Moment des Todes, wenn der letzte Atemzug genommen ist, wenn keine Aktionen oder Reaktionen mehr zu erwarten sind, wenn der Körper die Spannung des Lebens verliert und fällt. Manche Eltern können in diesem Moment bei ihren Kindern sein, wie sie zur Geburt ihrer Kinder auch da waren.

 

Manchen Eltern bleibt dieses Abschied-Nehmen verwehrt, wenn ein Unfall, ein Suizid oder gar ein Mord diesen letzten Abschied nur noch vom toten Körper möglich macht - oder nicht einmal das, weil sie erst später vom Tod ihres Kindes erfahren. Dann müssen Eltern mit einem Abschied leben, den sie nie richtig nehmen konnten.

 

Doch was bedeutet es, Abschied zu nehmen? Gibt es einen guten Abschied? Wie bereiten sich die Menschen auf ihn vor? Wie erleben sie ihn? Was fühlt eine Mutter, ein Vater, eine ganze Familie in diesen ersten Momenten? Was brauchen Menschen dann? Was würden sie sich wünschen? Und wie lernen wir darüber zu sprechen?

 

Diese Fragen und viele mehr haben wir einigen Eltern gestellt, die sich bereit erklärt haben, uns ihre Geschichte mit diesem schweren Moment zu schildern. Jeder tut dies auf seine Weise. Und wir haben Menschen interviewt, die diese Momente des konkreten Abschieds begleiten.

 

Und warum wollen wir das wissen und das erzählen?

 

Weil es so wichtig ist, dass wir verstehen, was genau passiert. Weil es wichtig ist, dass wir wissen, was wir mit diesem Wissen besser machen können. Weil wir daraus lernen, wie wir miteinander umgehen können. Das hilft den Menschen, die dieses Schicksal durchleiden, und den Menschen, die diesen Trauernden "richtig" und gut begegnen wollen. FÜR EINANDER

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