17. Dezember 2017


In mein Herz graviert

von Elke Schmieder

Fast wie im Bilderbuch mutet das Leben der Familie Schmieder an: Mutter & Vater, Tochter & Sohn, ein Häuschen in einem beschaulichen Ort im Erzgebirge. Doch dann erkrankt Sohn Philip (14) unheilbar an einem Gehirntumor. Er stirbt binnen eines halben Jahres, und nichts ist mehr, wie es einmal war ...  

Philips Mutter Elke Schmieder (44) trägt ein Tattoo mit seinem Namen. Warum - davon berichtet sie für die Aktion Lichtpunkt: 

 

Nach Philips Tod entwickelte sich die Idee zu einem Tattoo eigentlich ganz langsam. Ich wollte etwas von Philip bei mir haben. Und nach dem ich viele Menschen gesehen habe, die sich ein Tattoo stechen lassen haben, gerade nach dem Tod eines geliebten Menschen, dachte ich, Ja, das will ich auch

Nachdem der Entschluss dazu fest stand, überlegte ich lange, was ich haben will. Die Überlegungen gingen von Sternen über Endlosschleife bis hin nur zum Datum. Auf keinen Fall wollte ich sein Gesicht haben, auch wenn ich mir nicht erklären kann, warum. Ich ließ mir viel Zeit, weil ich nie richtig von einer Idee überzeugt war. Ich guckte mir viele Bilder im Internet an, aber nie war etwas dabei, wo ich auf Anhieb sagte, Ja, das ist es. 

Irgendwann, als ich wieder einmal Philips Sachen von der einen Seite zur anderen geräumt habe, fielen mir Schularbeiten und Selbstgebasteltes von ihm in die Hände. Überall stand nur sein Vorname drauf. Ich musste lächeln, Ja, das war unser Philip. Sein Vorname reichte ihm. Und da kam die Idee. Philips Unterschrift – seine persönliche! Erst überlegte ich, ob ich noch sein Geburts- und Sterbedatum mit dazu machen lassen sollte. Aber da hatte ich ein gutes Gespräch mit dem Tätowierer. Er fragte mich, für wen dieses Tattoo sei, für mich oder für andere?! Natürlich für mich, und ich habe die Daten im Kopf. Es ging mir um seinen, von ihm selbst geschriebenen Namen.  

Die Körperstelle für das Tattoo stand für mich schnell fest: der linke, innere Unterarm. Links führt zum Herzen. Und es sollte aber schon auch sichtbar sein. Ich wollte es nicht verstecken.

Der Weg hin zum Tattoo dauerte dann noch eine ganze Weile. Klar kamen auch Zweifel. Behielt ich nicht auch so mein Kind im Herzen ohne Tattoo? Auch die Frage nach dem Schmerz stellte sich. Tat es sehr weh? War es das, was ich auch in zehn Jahren noch schön fand? Da kommen viele Fragen auf, die aber genauso schnell wieder weg waren, wie sie gekommen sind.

In der Nacht zu meinem Termin träumte ich von dieser Prozedur. Es war ein richtiger Albtraum. Am Morgen bekam ich dann die Information, dass der Termin nicht stattfinden konnte, da der Tätowierer krank war. Das sollte vielleicht so sein? Vielleicht bekam ich noch eine Art Schonfrist? Ich bekam einen neuen Termin, und das war dann ganz easy. Ich war die Ruhe selbst und vor allem war ich auch überzeugt, das Richtige zu tun.

Mein Umfeld hat durchweg positiv reagiert. Selbst meiner Mutter, die eigentlich strikt gegen Tätowierungen ist, gefällt es. Engen Freunden von uns kamen die Tränen, so emotional war dieser erste Blick auf das Tattoo. Was unmittelbar nach dem Stechen in mir vorging, kann ich eigentlich gar nicht beschreiben. Ich hatte mein Kind noch ein Stück weiter in mein Herz eingraviert. Unbeschreiblich!

Wenn ich schlecht drauf bin, schlechte Träume hatte oder wie jetzt die graue Zeit kommt oder auch die bevorstehende Weihnachtszeit ist es mir eine kleine Hilfe, die Schrift von ihm auf meinem Arm zu sehen. Oftmals streichele ich unbewusst darüber, gerade dann, wenn Erinnerungen hoch kommen. Durch das Tattoo ist mir mein Kind jetzt noch ein Stück näher gekommen. Es ist, als hätte er persönlich auf meiner Haut, auf meinem Arm unterschrieben. Es ist einfach ein Stück von ihm.

Text: Anne Scheschonk

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