01. Dezember 2015


Petra Hohns „Plötzlich ohne Kind“ wird nicht mehr verlegt. Eine Würdigung.

Es ist kein dickes Buch, was man in den Händen hält, und doch ist es ein ganz gewichtiges, ein sehr persönliches. „Plötzlich ohne Kind“ ist die Beschreibung des Ausnahmezustandes, der kaum zu begreifen ist: Petra Hohn schreibt über den Tod des eigenen Kindes.  


Gleich zu Beginn macht sie klar: Hier liegt kein Trauerratgeber vor. Denn Trauern, das ist individuell. Da gibt es kein Schema F, an dem man sich entlang hangeln kann. Vielmehr gleicht die Trauer einem Labyrinth, aus dem kein Weg hinauszuführen scheint. Betroffenen Eltern diese Wege hinaus aufzuzeigen, ihnen und ihrem Umfeld Hilfestellungen zu bieten, auch im Umgang miteinander – das ist Petra Hohns Intention und Zielstellung ihres Buches. 


Ausgehend von ihrem eigenen Schicksal – sie und ihr Mann Steffen verloren 1998 ihren einzigen Sohn – führt Petra Hohn durch das komplexe Themenspektrum, das Tod und Trauer nach sich ziehen: die Stunde Null, die Trauerphasen, Gefühle wie Schuld, Scham oder Wut. Sie schreibt auch darüber, wie es ist, wenn Eltern sich wieder als Paar zusammen finden und ihre Familienstrukturen neu sortieren müssen. Denn Eines bleibt für alle Betroffenen gleich: Das Leben, das es einmal gab – es existiert nach dem Tod des Kindes nicht mehr. 


„Plötzlich ohne Kind“ wird auf wenig Raum der Vielschichtigkeit der mit dem Tod eines Kindes einhergehenden Thematiken gerecht. Petra Hohn schafft das, indem sie nicht ausschließlich Beispiele aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz bringt, sondern viele andere betroffene Eltern zu Wort kommen lässt. Diese Vielstimmigkeit macht das Buch authentisch, wenn die betroffenen Eltern ihre Konflikte mit sich selbst und untereinander schildern oder von ihren ambivalenten Gefühlswelten berichten. Ehrlich und ohne falsche Scham packt Petra Hohn so auch sensibelste Themen auf den Tisch: etwa den Wunsch nach einem neuen Kind oder nach Sexualität. 


Wir haben mit Petra Hohn gesprochen, um mehr darüber zu erfahren, wie sie über das Schreiben in der Trauer und das Schreiben über die Trauer denkt.

 

Gespräch mit Petra Hohn

Petra Hohn
Petra Hohn

Liebe Petra, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für die Aktion Lichtpunkt nimmst und mit uns über Dein Buch sprichst. Was hat Dich bewogen, dieses Buch so zu schreiben, wie Du es getan hast?

Petra Hohn: Mir war es sehr wichtig, aus den vielen Begleitungen der Eltern, die ich selbst durchgeführt habe aufzuzeigen, welche Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten es in der Trauer um ein Kind gibt, unabhängig von der Todesursache. Mein Buch ist bis jetzt auch das einzige für Familien mit Verlust des einzigen oder aller Kinder. Das ist halt etwas anders mit dem Trauerweg –  nicht schlimmer, aber anders. 

 

Du bist selbst verwaiste Mutter – was hat das Schreiben

des Buches mit Dir gemacht?

Petra Hohn: Für mich selbst war es ein Resümee meines eigenen Weges, seiner Schwere, aber auch der Blick auf die Veränderung meiner eigenen Trauer. Besonders auch darauf, aktiv den Weg durch die Trauer selbst zu gehen. Das Buch hat dazu beigetragen, meinen Mann zu verstehen und mit seiner doch so anderen Art zu trauern umzugehen. Hier kam eine völlige Neuentdeckung unserer Beziehung und eine neu entdeckte große Liebe. Dadurch wurde dem Tod unseres Kindes eine warme und würdevolle Erinnerung gegeben, was unser Kind lebendig hält. Ein Energiepotential für mich selbst und meine Arbeit für den Bundesverband.
Weihnachten ist zum Beispiel für uns immer noch schwer, zuhause zu sein, aber das Ritual an einem Ort gemeinsam zu sein, an dem wir als Familie sehr glücklich waren und wir an Heiligabend Wein trinken, einen Brief an unser Kind schreiben und es dann als Flaschenpost der Ostsee übergeben,  gibt diesen Tagen wieder etwas Lebendiges und Liebenswertes. So ist unser Kind immer bei uns, und wir genießen das Leben wieder. Am Anfang für uns unglaublich – und heute "normal".

 

Wie ist es nun für Dich, Dein Buch nicht mehr verlegt zu wissen? 

Petra Hohn: Es war die 2. Auflage und das Buch kam 2008 heraus – ich denke, die Zeit für Veränderungen ist da. Denn auch ich bin schon weiter auf meinen Weg der Trauer als beim Erscheinen dieses Buches. 

 

Schreibst Du für Dich privat? Führst Du ein Tagebuch oder schreibst Du Briefe an Carsten, Deinen Sohn?

Petra Hohn: Ich schreibe kein Tagebuch mehr, auch keine Briefe mehr an meinen Sohn. Die Zwiesprache in Gedanken führe ich noch. Er lebt in meinem Herzen weiter und ist bei all meinem Tun dabei. Auch heute noch. Am 27.11. ist er 17 Jahre tot – unglaublich … 

 

Sachbücher über Tod & Trauer – man hat den Eindruck,
es werden immer mehr … 

Petra Hohn: Ja, Bücher über Tod und Trauer gibt es mittlerweile viele. Es ist chic geworden,  darüber zu publizieren. Über die Qualität der Ansätze und Formen kann man streiten. Dennoch findet jedes Buch seine Klientel. Über Trauer kann man viel schreiben, aber wer sie wirklich erleben musste, kann mehr darüber sagen.
Der Markt regelt sich selbst. Ansprechende Bücher haben einen guten Absatz, die Mehrzahl verschwindet dann allerdings in kurzer Zeit vom Markt. Durch die Schnelllebigkeit unserer Zeit wird Vieles neu erfunden und geschrieben, was eigentlich schon seit Jahren in guten Büchern geschrieben wurde. Das ist aber Verlagsarbeit und Geschäft. Leider, auch Trauer ist ein Geschäft. 

 

Was ist Deine persönliche Buchempfehlung in diesem Kontext?

 

 

Petra Hohn: Meine Buchempfehlung geht, schon aus dem Ansatz meiner Tätigkeit, in die fachliche Analyse, um zu erklären und Verständnis für unsere politische Arbeit zu schaffen. Ich habe zwei Favoriten. Zum Einen "Trauer und Trauma" von Hanne Shah & Thomas Weber und zum Anderen "Komplizierte Trauer" von Prof. Dr. Birgit Wagner. Beide Bücher sind von Menschen geschrieben, die sich offen mit Trauernden auseinander setzen, emphatisch sind und wissen, wovon sie schreiben. 

Wie bekommen Sie das Buch?

Das Buch „Plötzlich ohne Kind“ ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen. 

ISBN 978-3-579-06820-6


„Plötzlich ohne Kind“ (2008) wird in Kürze nicht mehr neu aufgelegt, kann dann aber u.a. über den Bundesverband Verwaister Eltern und trauernder Geschwister in Deutschland e.V. (VEID) bezogen werden.

Wir danken Petra Hohn für Ihre Offenheit und Ihren Einsatz für verwaiste Eltern und trauernde Geschwister! 

 

Petra Hohn


geb. 1957, ist ausgebildete Trauerbegleiterin und seit 2006 die 1. Vorsitzende des Bundesverbandes Verwaister Eltern und trauernder Geschwister in Deutschland e.V. (VEID) mit Sitz in Leipzig. 

 


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